Siebenter Brief:                                                   Roetgen, den 7. Mai 1865 (morgens 1 Uhr) 

 


Lieber Freund!

 

    Mein Entschluß war, am heutigen Tage mit noch einem anderen Hermann aus unserem Orte eine Reise nach Steinfeld zu machen, um dort des seligen Hermann Joseph, unserem Namenspatron, bei seinen sterblichen Überresten die gebührende Verehrung zu zollen. Durch das seit gestern einsetzende Regenwetter ist jedoch jetzt unser Entschluß vereitelt, was mich um so mehr schmerzt, da der Plan zu dieser Reise schon vor einem Jahr gemacht worden war, und ich mich deshalb ebensolange im Voraus auf die Annehmlichkeiten dieser Reise gefreut hatte. Dabei gewahre ich, um es Dir aufrichtig zu sagen, innerlich stets einen besonderen Antrieb, einmal auf einen Augenblick an diesem Orte zu weilen. Es verhält sich damit gerade so, wie wenn man in einen entfernten Orte einen Verwandten oder guten Freund weiß, den man seit langen Jahren nicht mehr gesehen hat; unaufhörlich treibt es einem, dort hinzugehen, um den lieben Freund oder Verwandten noch einmal zu sehen und Sprechen zu können; und dies um so mehr, wenn man weiß, daß die Person in jeder Hinsicht rechtschaffen und menschenfreundlich ist. Als katholischer Christ ist es Dir, lieber Freund, nun aber hinlänglich bekannt, daß ich im seligen Hermann Joseph, dessen heiliger Leib in der Abteikirche zu Steinfeld unversehrt aufbewahrt und als ein kostbarer Schatz verehrt wird, einen geistig Verwandten und, wie ich hoffe, auch einen guten Freund zu besitzen, mich freuen kann, und wird es Dir auch nicht sonderbar vorkommen, daß ich im Begriffe stand, die weite Reise nach dem genannten Orte anzutreten und daß ich, nachdem die Reise diesmal durch äußere hindernde Umstände unterblieben ist, jetzt schon wieder den Vorsatz gefaßt habe, im nächsten Jahre hin zu gehen, wenn es Gott will.

   Wie ich dazu erfahre, wird der unversehrt erhaltene Leib des Seligen nur einmal im Jahre und zwar am 3. Sonntage nach Ostern den Gläubigen und Pilgern gezeigt. Deshalb hatten wir im vorigen Jahr, wo wir das Fest auf den 1. Sonntag nach dem 7. April vermutheten, die nämliche Reise vergebens gemacht. In Schleiden, welches noch zweieinhalb Stunden (Fußreise) von Steinfeld entfernt sein soll, machten wir damals kehrt!

   Ich hatte vor, lieber Freund, später wieder Mittheilungen an Dich zu machen, über die näheren Umstände und Einblicke auf dieser meiner Reise in die hohe Eifel. Da dieses natürlich nun auch nicht geschehen kann, so will ich anstatt der im Werke begriffene Reisebeschreibung durch das Montjoier Land noch einmal mit desto regerem Eifer fortsetzen. Verschiedene Umstände ließen es in letzter Zeit nicht zu, daran zu arbeiten, worunter hauptsächlich es der ist, daß ich manchmal nicht recht zu solcher Arbeit aufgelegt war, und in dem Zustande (das lehrt die Erfahrung) ist es besser,  man legt sie bei Seite, indem man doch nur Unvollkommenes zustande bringen würde.

   Den 11. Mai: Dein werthes Schreiben von gestern, lieber Freund, hat mich aufs Freudigste überrascht, indem ich dadurch erfahre, daß Du in den zeitweiligen Besitz des ersehnten Buches gelangt bist. Doch erheben sich zugegeben schwere Bedenken in mir, ob es vielleicht nicht gelingen würde, daß ich dasselbe einmal erhalte, und zwar darum, weil ich dem Eigenthümer gänzlich unbekannt bin und Du, als ein alter Bekannter, es nur auf 14 Tage erhalten konntest. Ich werde wahrscheinlich am nächsten Sonntag, den 14. Mai nach Raeren kommen, und fand mich daher genöthigt, um Dich hiervon zu benachrichtigen, meinen Brief zu schließen, ehe ich die Reisebeschreibung darin fortsetzen konnte. Die Stunde, wann ich nach Raeren komme, kann ich jedoch nicht angeben, indem ich noch nicht genau mit Josef Plum gesprochen habe, der am Sonntag nach Berlotte geht. Vielleicht daß ich in Raeren im Hochamt bin; vielleicht aber auch, doch erst am Nachmittage an Eurem Hause komme. Bis dahin grüßt Dein Freund

                                                                                                                      Hermann Josef Cosler.