Der Schluß des sechsten Briefes:

 

 


Den 4. März: Das ich unter dem 23. und 24. vorigen Monats Zeit fand, einiges für Dich zusammen zu stellen, hast Du einem Geschwür zu verdanken, welches mich an jenen Tagen arbeitsunfähig machte und mir in den vergangenen Fastnachtstagen auch das Ausgehen verbot. Jetzt bin ich aber wieder ganz hergestellt. Bevor ich am Brief weiter schreiben konnte, erhielt ich verflossenen Dienstag Deine Antwort auf den letzten und vorletzten Brief, deren Erwiderung ich nunmehr voran schicke, wie folgt:

   1. Das lange Ausbleiben der Antwort hatte ich schon entschuldigt, bevor Du mich darum ersuchtest, denn (unter uns gesagt) man entschuldigt schon lieber wenn man selber nicht schuldlos ist! Daß hier um Fastnacht keine Musik gehalten wurde, hat mich barbarisch geschmerzt (?), mehr als das Geschwür, welches ich am Munde hatte. (Alles wohl verstanden!).

   2. Ich kann es weniger entschuldigen, daß Du so saumselig und langsam im Lesen bist; die zwei letzten Hefte der „Montjoier Geschichte“ noch unaufgeschnitten! Soll ich Dir sagen, daß ich am nämlichen Tage, wo ich das 3. Heft erhielt, keine Ruhe hatte und nicht zu Bett ging, bis ich dasselbe ganz durchlesen hatte. Doch das Sprichwort sagt: „Eile mit Weile“, und ich kann Dir so ganz Unrecht nicht geben, daß Du langsam und bedächtig liesest, denn es ist faktisch bewiesen, daß allzu vieles und rasches Lesen weniger Früchte bringt.

   3. Daß von meinem Reiseberichte nicht mehr so viel zurück ist, als Du schon erhalten hast, glaube ich selber; was aber der Verdruß bei mir an der Fortsetzung desselben betrifft, so kannst Du deswegen unbesorgt sein. Ich mache mir vielmehr ein Vergnügen daraus, alles recht umständlich anzuführen, so daß ich eher befürchten muß, dir langweilig zu sein.

   4. Die Rheinischen Volksblätter sind mir wenig bekannt. Sie werden hier von ein paar Kirchmeistern gelesen. Bei einem derselben ist mir das Blatt einmal in die Hände gekommen und glaubte ich, soweit als man dergleichen Sachen flüchtig beurteilen kann, nicht viel Interessantes daran zu erkennen; es kann aber leicht sein, daß ich mich geirrt habe. Das angeführte Werk  „Convention“  kenne ich gar nicht; hingegen befindet sich  die von antikatholischer Seite schon so viel bestrittene „Enciclica“ im Augenblick in meinen Schreibpulte; ich habe sie vom Herrn Pastor geliehen.

   5. Es hat mich am meisten gefreut, daß Du die mir fehlenden Werke von Alb. Stolz anzukaufen gedenkst. Aber Du bist dabei, wie es scheint, nicht bange, daß Du sie mir leihen müßtest. Es dürfte nicht unzweckdienlich sein, die Stolz`schen Schriften, welche ich besitze, hier nochmals aufzuführen, damit Du nicht die nämlichen kaufst; es sind: a) Kongreß für Leben und Sterben; b) Das Vaterunser und der unendliche Gruß; diese beiden Werke bilden die Jahrgänge 1843, 44, 45, 46, 47, 58 und 59 des Kalenders für Zeit und Ewigkeit; c) ABC für große Leute,  Jahrgang 1864 des Kal. f. z. u. E; d) Spanisches für die gebildete Welt; e) Mörtel für die Freimaurer, mit der freimaurerischen Gegenschrift „Dankschreiben“ von  J. Venedey; f) Akazienzweig für die Freimaurer. Daran fehlte also nur noch, a) Besuch bei Sem, Cham und Japhet und b) Legende.

   Beim nächsten Schreiben kannst Du mir einmal mitheilen, welche Stolz`schen Schriften Du von mir zum Lesen bekommen hast, denn ich weiß nicht, ob Du die Kalenders gehabt hast, oder nicht. Die Bücher von Dir, welche ich mir neulich mitgenommen, habe ich beinahe durchgelesen. Der „Fels Petri“ ist ein Muster katholischer Controversik und man muß hier sich in acht nehmen damit; denn wenn das Büchlein manch einem in die Hände käme, so würde vielleicht bald sein letztes Stündlein geschlagen haben. Nonotte`s Lexikon der Religion wollte mir zu Anfang nicht recht gefallen. Als ich aber einmal einen tiefen Griff darin getan hatte, fand ich viel Vergnügen daran, und ich habe es ganz durchgelesen. Die Gestalt eines Lexikons scheint bloß Formalität zu sein. Der eigentliche Zweck ist die Widerlegung gewisser Irrthümer Voltaire´s und anderer ungläubiger Philosophen. Mit dem Vorsatz, bald die Reisebeschreibung nach besten Kräften fortzusetzen, verbleibe ich herzlich grüßend, Dein treuer Freund,

                                 

            Hermann Josef Cosler.