Es folgt die Antwort auf den dritten Brief:                        Raeren, den 11. Dezember 1864

 


Bester Freund!

 

   Bereits über zwei Jahre sind der Vergangenheit anheimgefallen seitdem ich Dich und Du mich, soviel ich weiß, habe kennengelernt; seitdem mir zum ersten Mal, durch Vermittlung unseres Freundes Johann Kreischer, ein Besuch von Dir zutheil wurde. Ganz genau kann ich Dir die Versicherung geben, daß es, sobald wir mit dem 1. Januar nächstens uns ein glückseliges neues Jahr gewünscht haben werden, nur noch 18 Tage andauern wird, wo mir vor zwei Jahre zum ersten Mal Deine Handschrift zu Gesichte kam, und sich die Hoffnung in mir regte, jetzt Gelegenheit zu bekommen, mich im schriftlichen Verkehr zu üben und zu unterhalten, welche Gelegenheit mir bis heran in keiner Weise geboten war. Manche schöne Freude haben wir uns während dieser Zeit miteinander gemacht; wenigstens habe ich es an Dir so erlebt und voll Innigkeit will ich hoffen, daß es ferner so fortdauern wird. Einige Besorgnis bemächtigte sich meiner, als ich Deiner Einladung zur Kirmes nicht Folge geleistet hatte, und es darauf bis zu drei Wochen dauerte, ehe mir wieder ein Beweis Deiner Freundschaft zu Theil wurde.

   Lieber Freund! Wie, wenn Du es mir zum voraus gesagt hättest, so deutlich ahnte es mir, nachdem das Wort „Verzartheit“ meiner Feder unüberlegt entflossen war, daß Dir das Eine oder Andere als Auslegung in den Sinn kommen würde; doch, wie gesagt, der Feder war es entschlüpft, ohne daß ihr Führer das eine oder andere Arggemeinte oder Zweideutige damit bezweckte. Als Vorwurf kam es mir hart vor, als Zurechtweisung und Belehrung aber war es mir angenehm, daß Du mir Deine Gedanken darüber mittheiltest, denn nun konnte ich Dir wahrheitsgemäß Antwort geben. Einige Gelegenheit, Dir zu schreiben, hätte ich am Empfangstag Deines Briefes (27. Nov.) gehabt, wenn mir nicht die Vollführung Deiner mir aufgelegten Strafe, nämlich das mehrmalige Durchlesen des Briefes, insbesondere der Abschrift des Feldzuges Deines Vetters (siehe den vierten Brief) gegen die Dänen, genug zu schaffen gemacht hätte. Aus den letzten Worten kannst Du schließen, wie unangenehm mir die Strafe vorgekommen ist.

   Die Gelegenheit, Dir eine ähnliche Buße auch einmal vorzuschreiben, stände soeben in meiner Macht; doch nicht in Betreff eines Feldzuges oder Kriegswesen, sondern in Bezug einer neuen Erfindung, worüber die Verfasser meiner Erfindungsbücher noch keine Ahnung hatten. Vielleicht hast Du schon vom Patent - Fruchtmesser des Herrn Christian Josef Schmitz gehört, oder hast Du schon Muster dieses Messers im Haus oder am Fenster des Erfinders aufgestellt gesehen. Eine Zeichnung nebst Gebrauchsanweisung dieses merkwürdigen Geschirres kam mir in den letzten Tagen im Hause eines Nachbarn in Händen. Bereitwillig würde ich Dir eine Abschrift davon zuschicken, wenn nicht mein Verstand zu schwach wäre, die Zeichnung, ohne welche das Andere keinen Werth hat, beifügen zu können. Zur Ehre würde ich es mir aber rechnen, als Begleiter Dich besagten Nachbarn zuzuführen, welcher mir sehr viel über den Hergang dieser Geschichte erzählt hat; es versteht sich von selbst für den Fall, daß Du nicht schon besser als ich über das Mitgetheilte unterrichtet bist. Auch manches andere, welches Du bei diesem Besuche vorfinden würdest, glaube ich als interessant und untersuchungswerth bemerken zu dürfen, welches indessen erst alsdann geschehen kann.

   Der 18. Dezember: Da mir nun endlich wieder eine freie Stunde vergönnt ist, so benutze ich dieselbe vor Allem mit Hilfe Gottes zum Abschluß dieses seit einer Woche unbeachtet gelegenen Schreibens. Es düngt mir an der Reihe zu sein, diesen zweiten Absatz unserem Literatur - Wesen widmen zu müssen, welche ich, nach meiner Ansicht passend, also beginne:

  1. Prisack`s „Geschichte des Deutsche Reiches“ habe ich in der letzten Hälfte des vorigen Winters ungefähr halb durchlesen und bin seitdem bei diesem Punkte stehen geblieben. Vor einigen Tagen habe ich vom Herrn Lehrer Havenith auf Gegenleihe erhalten, G. Ludwig`s „Universalgeschichte“, welche, mit Ausnahme einer etwas weitläufiger Behandlung, genau mit Pauly`s. Geschichte übereinstimmt.

   2. Bin ich in den letzten Tagen mit der Durchlesung des „Spanischen“ von Alban Stolz fertiggeworden. Ganz genau möchte ich von Dir erfahren, wie weit Du im Besitze von dessen Schriften seiest, weil die Redensart (Schreibweise) dieses Mannes mir besonders zusagt. Weil dieses „Spanische“ einen Reisebericht enthält, und Reiseberichte mich vorzüglich beanspruchen, so erinnere ich hierbei, aus Deinem Schreiben vom 23. September, welches den ersten Theil Deiner Dekanatsreise bildete, ersehen zu haben, daß unser Geschichtsschreiber Pauly sich auf einer sechswöchigen Reise nach Rom befindet. Möchte nicht auch er uns eine Beschreibung seiner Reise mittheilen?  Bei Betrachtung des Letzteren drängt sich mir glücklicherweise der Gedanke auf, daß ich Dir das 3. Fasc. der „Montjoier Geschichte“ noch zu bezahlen habe; es ist daher meine Schuldigkeit für das lange Borgen das nächste 4. Fasc. Dir völlig so lange im Voraus zu bezahlen, so dieses nicht bereits schon erschienen ist. Letzthin habe ich auch noch einmal die „Bibliothek meiner Kinderjahre“ durchwühlt und glaube dir aus derselben noch einiges zum Lesen anbieten zu können. Schließlich, da ich wegen des langen Zögerns mit der Antwort es mir selbst aufzumessen habe, wenn in den bevorstehenden Feiertagen keine Fortsetzung Deines Reiseberichtes mich unterhalten wird, so wünsche ich in diesem Falle, aber besser noch jedenfalls, einen persönlichen Besuch bei freundlichen Gruß und herzlichem Christfestwunsch von Deinem Freund,

                                                                                              Johann Peter Pesch.