Der Zeitzeuge August Heck berichtet über Roetgen 1944/45: Die Besetzung Roetgens
Von August Heck, Roetgen
(Entnommen aus Nr. 2 der Heimatschriftreihe des Landkreises Monschau,1959: Walter Scheibler, „Zwischen zwei Fronten“, Seite 335 bis 343)
Nachdruck mit freundlicher Genehmigung der Städteregion Aachen.
Das Zurückfluten der deutschen Truppen kündigte sich durch Truppendurchzüge und starke Einquartierung an. Bis 9. September 1944 marschierten unausgesetzt Truppen durch. Damit steigerte sich die Lufttätigkeit der feindlichen Luftwaffe in beängstigender Weise, sodass die Einwohner sich kaum noch aus den Häusern wagen konnten. In einem auffälligen Gegensatz zu den Rückzugsbewegungen marschierte am Samstag, dem 9. 9. eine stärkere deutsche Infanterie Einheit, die allem Anscheins nach neu aufgestellt und ausgerüstet wor den war, durch Roetgen gegen Eupen. Nach ihren Angaben hatte sie Befehl, durch Gegenangriff die Vorwärtsbewegung alliierter Heeres verbände aufzuhalten. Es ist nicht bekannt geworden, was später aus dieser Einheit geworden ist. Während der 10. September, ein Sonntag, ohne irgendwelche Vorgänge verlief, sprengten am 11. September in den Vormittagsstunden deutsche Nachhuten die wichtigsten Teile der Eisenbahnanlagen auf dem Bahnhof in Roetgen. Die Sprengung war von solcher Gewalt, dass Eisenteile und Schienenstücke hunderte Meter weit umherflogen. Am Nachmittag des gleichen Tages wurde eine deutsche Panzerabteilung, die auf ihrem Rückzug Petergensfeld erreicht hatte, dort von alliierten Fliegerstreitkräften mit Bomben und Bordwaffen angegriffen, wobei ein Munitionswagen getroffen wurde und in die Luft flog. Die Besatzungen der Fahrzeuge retteten sich zum Teil hinter Hecken und Bäumen. Ein anderer Teil suchte durch schnelleres Fortkommen und Ausweichen dem Angriff zu entgehen. Bis tief nach Roetgen hinein wurden die Panzer verfolgt. Ihrer Vernichtung konnten sie sich nur dadurch entziehen, dass sie unter Bäu men und Büschen Halt machten und sich so der Sicht der feindlichen Flieger entzogen. Gleichfalls am 11. Sept. bewarfen feindliche Fliegerstreitkräfte die deutsche Flakstellung auf dem „Acker" mit zahl reichen Bomben. Die deutschen Flaksoldaten, die die betreffende Stellung inne hatten, hatten aber erkannt, dass sie an den Vortagen durch feindliche Beobachtungsflugzeuge ausgemacht worden waren und wechselten ihre Stellung, ließen aber zur Tarnung einiges Material zurück. Der feindliche Bombenangriff stieß also ins Leere. An Standtruppen befanden sich in Roetgen nur Flaktruppen in Stärke von etwa 100 Mann. Sie verließen am 11. September abends mit dem Eintritt der Dämmerung den Ort, um sich in Rott neu festzusetzen. In der Nacht vom 11. zum 12. September 1944 ging eine stärkere deutsche Infanterieeinheit lautlos durch Roetgen zurück in Richtung Rott. Es war die letzte deutsche Einheit, die den Ort passierte. Von ihnen war nur eben zu erfahren, dass amerikanische Truppen bereits in Eupen seien. Von einem Gefühl völliger Vereinsamung befallen, erkannte man, dass man sich jetzt im „Niemandsland" befand. Eine unheimliche Stille lag von da an über dem Ort. Ein Teil der Einwohner hatte sich in die Evakuierung begeben. Der größte Teil aber hatte sie abgelehnt. Da aber mit Rücksicht auf die an der Ostseite von Roet gen liegenden Westwallbunker immerhin eine Gefahr kriegerischer Zusammenstöße im Ort selbst bestand, verließen viele Einwohner ihre Behausungen und begaben sich in das westliche Waldgebiet, wo sie glaubten, größere Sicherheit zu finden. Am 10. und 11. September konnte man von höher gelegenen Punkten aus an dem Wechsel zwischen Granatabschüssen und Einschlägen das Vorrücken der Front linie im Raum Herbesthal/Aachen beobachten. Das Erscheinen zahlreicher Aufklärungsflugzeuge der feindlichen Luftmacht, die in ge wissen Zeitabständen kamen und wieder verschwanden, ließ aber das Herannahen feindlicher Heeresverbände auch für den Ort Roetgen nicht mehr zweifelhaft sein. Am Bahnhof in Roetgen duckte sich noch eine deutsche Nachhut, um das Erscheinen solcher Verbände abzuwarten. Sie warteten noch bis zum 12. September nachmittags gegen 14.30 Uhr. Zu dieser Stunde rückten amerikanische Truppen von Eupen her zunächst in Petergensfeld ein, schwärmten hier durch alle Gassen und Wege, legten Fernsprechleitungen und stießen unmittelbar darauf vor dem Bahnhof in Roetgen über die Reichsgrenze und brachten auf der rechten Seite des Bahngeländes Geschütze in Stellung. Die deutsche Nachhut suchte im Schutze des Eisenbahndamms in der Offermannstraße in Richtung Fringshaus zu entkommen, wo sie sich neu festsetzten: Der andere Teil, der Nachhut entwich durch das Grölis bachtal in Richtung der Dreilägerbachtalsperre. Einer der zurückgehenden Soldaten wurde im Grölisbachgebiet durch feindliches Feuer angeschossen und schwer verwundet. Er brachte den Nachmittag über in einem Haferfeld zu und suchte am Abend die Häuser im Rommel - weg auf, wo er mit Lebensmitteln und Zivilkleidung versehen wurde, um das Krankenhaus in Roetgen aufsuchen zu können. Die anderen Soldaten schwärmten auseinander und suchten sich hinter Büschen und Hecken dem feindlichen Infanteriefeuer zu entziehen, um dann schließlich die schützenden Westwallbunker zu erreichen. Als die ame rikanischen Truppen keinen ernsthafteren Widerstand mehr sahen, stießen sie in den Ort selbst vor. Das geschah zunächst dadurch, dass sie eine Panzerabteilung durch die Rosentalstraße vormarschieren ließen. Der Abteilung voraus marschierte zu beiden Seiten der Straße in 2 bis 3 m Einzelabstand eine Abteilung Scharfschützen, die mit schussbereitem Gewehr alle Vorgänge um sich herum beobachteten und es dabei hauptsächlich auf versprengte deutsche Soldaten abgesehen hatte. Am „Siefchen" bog die Abteilung in den Rommelweg ein und setzte ihren Weg bis zum „Kreitzenende" fort, wo sie 100 Meter vor den ersten Bunkern Halt machte, nachdem sie hier mit MG-Feuer an gefallen wurde. Hier fiel auf deutschem Boden der erste amerikani sche Offizier. Im weiteren Verlauf des Nachmittags rückten weitere Panzereinheiten auch über die Hauptstraße nach. Andere Panzer kämmten die übrigen Dorfstraßen nach deutschen Soldaten durch. Das Feuer, das den amerikanischen Soldaten aus den Bunkern entgegenschlug, blieb natürlich nicht unerwidert. Die am Bahnhof in Stellung gebrachten Geschütze feuerten auf die Bunker und in den Kessel zwischen dem „Vallheiderberg", der Sperrmauer, dem Struf feltberg, Hollensiefen und Münsterwald. Dabei wurden das Haus von Alois Klubert, das Wärterhaus neben der Sperrmauer und die gesamte Filteranlage des Wasserwerks im Distrikt Hollensiefen in Brand geschossen und vollständig zerstört. Eine große Anzahl von Granaten ging auf der Feldflur „Acker", wo man noch die abgerückte Flakabteilung vermutete und in den anschließenden Münsterwald nieder, weil man vermutete, dass sich hierin deutsche Soldaten verschlagen hätten. Die Nacht vom 12. zum 13. September verlief ohne besondere Vorkommnisse. Am 13. September morgens setzten sich die Kämpfe vor den Bunkern wieder energisch fort. Den Hauptwiderstand leistete der Bunker links vom Grölisbach, der dort fast un sichtbar im Hang des Münsterwaldes eingebettet lag. Aus diesem Bunker feuerten noch deutsche Soldaten, als amerikanische Soldaten oben bereits auf seiner Decke herumspazierten. Von amerikanischer Seite verlautete, der Bunker würde zu gebaggert, wenn die Besat zung das Feuer nicht einstelle. Am 14. September ergaben sich sämt liche Bunkerbesatzungen und am gleichen Tage stießen die Amerikaner nach Rott und Mulartshütte, am 16. 9. nach Zweifall und am 18. und 20. 9. nach Stolberg durch. Damit war der Westwall an einer Stelle durchbrochen worden, wo man es nicht vermutete. Es berührte in der Zivilbevölkerung eigenartig, dass die Amerikaner so fort bis Stolberg vorgestoßen waren, während sie ihre rechte Flan ke bei Roetgen, wenigstens zunächst, hängen ließen. Bald aber er - kannte man, dass ein größeres Ziel, nämlich die Einschließung von Aachen, damit beabsichtigt war. Während sich die zweitägigen Kämpfe an der Talsperre abspielten, suchten die deutschen Nachhuten, die vom Bahnhof aus nach Fringshaus hatten entkommen können, die Amerikaner in der Roetgener Flanke zu stören. Das war nicht nur gefährlich für die Zivilbevölkerung, sondern auch lästig und störend für die Amerikaner. Die letzteren stießen deshalb zu beiden Seiten der Bundesstraße durch den Wald vorgehend, bis Fringshaus durch und drängten die dort plänkelnde deutsche Abteilung nach Lammers dorf hinunter. „STADT" ROETGEN EINGENOMMEN Inzwischen erfuhr man von den eingerückten Truppen, dass sie zur 1. amerikanischen Armee gehörten, die unter dem Befehl des Generals Bradley standen. Über die Besetzung von Roetgen ließ der amerikanische Rundfunk die Meldung verbreiten, dass Truppen ihrer 1. Armee südlich von Aachen die deutsche Reichsgrenze über schritten hätten und bereits die erste deutsche „Stadt" Roetgen von ihnen besetzt worden sei. Am 13. September rückten erneut starke motorisierte Infanterie - und Panzereinheiten in den Ort ein und blieben im unteren Teil des Dorfes nach Rott hin liegen, bis am 14. September der Weg durch den Sperrgürtel an der Talsperre freigekämpft war. Untermischt waren diese Einheiten von Luftabwehrgeschützen, Sanitätsfahrzeugen und Straßenbautrupps. Der 14. September brachte den Einmarsch starker motorisierter Artillerie, die über den ganzen Ort zerstreut Stellung bezog und sofort begann, ihre verderbenbringende Saat in die ganze Umgebung zu versenden. In der Zeit vom 16. bis 23. September trafen täglich neue Truppenverstärkungen ein, die sich auf ein längeres Verweilen einrichteten. Kampfhandlungen fan den in und bei Roetgen aber nicht mehr statt. Diese wickelten sich nunmehr außerhalb des Beobachtungsbereiches der Roetgener Zi vilbevölkerung ab. Am 22. September fand erstmalig ein amerikanischer Feldgottesdienst in der katholischen Kirche statt. Am 18. Oktober erhielt jeder erwachsene Ortseinwohner einen Personalausweis der Besatzungsmacht, den jeder bei sich zu füh ren hatte. Am 2. Oktober erfolgte die Inanspruchnahme der Unter richtssäle der kath. Volksschule für Kriegslazarette, in die im Laufe der Monate auch viele deutsche Soldaten eingeliefert wurden. Am 3. Oktober trat die inzwischen eingetroffene amerikanische Militärpo lizei in Aktion. Sie befasste sich mit den zurückgebliebenen Angehörigen der NSDAP und suchte die Bevölkerung zu ermahnen, keine Spionage nach Deutschland zu betreiben, denn die Sicherheit der Amerikaner bedeutete auch die Sicherheit der deutschen Zivilbevölkerung vor deutschen Feuer- und Luftüberfällen. Am 16. Oktober war schwächeres amerikanisches Geschützfeuer. Abends gegen 9 Uhr setzte plötzlich ein konzentriertes deutsches Feuer auf den Mittelpunkt von Roetgen ein. Mehrere Häuser, da runter das Sparkassengebäude, erhielten Treffer. Andere Häuser erlitten Spreng- und Splitterschäden. Der Weber Heinrich Dobbel stein von hier wurde in seiner Wohnung von einem Granatsplitter im Kopf getroffen. Er wurde in das amerikanische Kriegslazarett eingeliefert, wegen der Kompliziertheit der Verletzung aber in das rückwärtige Etappengebiet gebracht. Die Angehörigen erhielten keine Nachricht über seinen Verbleib. Heinrich Dobbelstein blieb bis heute verschollen. Ein amerikanischer Armee-Feldgeistlicher hat sich überall in Eupen und in Belgien nach ihm erkundigt, aber nichts ermitteln können. Am 17. Oktober in den Abendstunden war schwe - res Artilleriefeuer um Aachen hörbar. Um 21.30 Uhr erreichte deut sches Artilleriefeuer den südöstlichen Teil von Roetgen, wobei das Haus von Gregor Knott getroffen wurde. Am 18. Oktober war wie derum schweres Artilleriefeuer um Aachen hörbar. Abends überflo - gen starke Bomberverbände den Ort. Um 21.30 Uhr waren deutsche Erkundungsflieger mehrere Stunden über Roetgen. Der 19. Okto - ber brachte wieder schweres Feuer der amerikanischen Batterien. In der Nacht zum 21. Oktober drangen deutsche Truppen in Lam mersdorf ein, wurden aber durch einen amerikanischen Gegenangriff wieder verdrängt. Vom 20. bis 30. Oktober war täglich amerikani sches Geschützfeuer. Am 23. Oktober wurde die erste V1 in schnellem Ost-Westflug beobachtet. Am 25. Oktober mussten die Bewohner des Rommelweges ihre Häuser unter Zurücklassung des Inventars räumen, da sie amerikanischen Angriffstruppen, die in einem steten Fluss neu eintrafen, zur Verfügung gestellt werden mussten. Am 30. Oktober 1944 fielen 10 deutsche Granaten in das Dorf. Nur die Häuser von Alfons Heinen und Witwe Paul Heinen erhielten Treffer. In der Nacht vom 31. Oktober zum 1. November streute die deutsche Artillerie wieder eine größere Anzahl von Granaten, verteilt über die gesamte Häusermark. Die in der Nähe der evangelischen Kirche gelegenen Unterkunftsbaracken, welche von der amerikanischen Besatzung benutzt wurden, gingen in Flammen auf, und ein Muniti onslager kam mit lautem Knall zur Explosion. Vom 3. bis 15. Dezember war täglich Geschützfeuer von ver schiedener Stärke. In der Nacht vom 15. zum 16. Dezember schlug plötzlich heftiges deutsches Artilleriefeuer nach Roetgen, ohne dass besondere Ziele getroffen wurden. Um 4 Uhr morgens setzte ein sehr starkes deutsches Feuer ein, das den Südrand von Roetgen heimsuchte. Die Häuser von Johann Küsgens und Hugo Stollewerk wurden durch Volltreffer schwer beschädigt. Der Viehbestand von Johann Küsgens musste teilweise notgeschlachtet werden. Bei Anbruch der Tageshelle konnte man beobachten, dass die Geschütze der Amerikaner auf Südrichtung gedreht worden waren, was da rauf schließen ließ, dass nach Süden hin etwas Besonderes in Vor bereitung war. Der Pfarrer von Roetgen musste auf Veranlassung der Ortskommandantur die Frühmeßbesucher auf der Stelle nach Hause schicken, da Gefahr eines großen deutschen Angriffs bestand. Der Pfarrer machte ferner ein völliges Ausgehverbot für die Zivil bevölkerung bekannt, weil die amerikanische Armeeführung mit militärischen Zusammenstößen innerhalb des Ortes rechnen müsse. Tiefe Niedergeschlagenheit lastete auf der Bevölkerung. Um 8 Uhr hörte das deutsche Fernfeuer auf. Von den Amerikanern wurde der um 4 Uhr morgens einsetzende deutsche Beschuss als das Feuer von deutschen Eisenbahngeschützen, die bei Weismes gestanden hätten, ausgemacht. Die amerikanische Artillerietätigkeit war im Tageslauf des 16. Dezember auffallend gering. Am Abend war eine längere deutsche Fliegeraufklärung. Der 17. Dezember brachte nur eine gemäßigte Artillerietätigkeit in südlicher Richtung. In der Nacht zum 18. Dezember fand eine große deutsche Luftaufklärung unter Setzen von Leuchtschirmen statt, die stundenlang anhielt. Die Amerikanische Artillerie und Flak beobachtete wiederum, währenddessen eisiges Schweigen. Außerhalb der Ortsmark, es soll nach amerikani schen Angaben zwischen Schwerzfeld und Mützenich gewesen sein, waren durch deutsche Flugzeuge Fallschirmspringer abgesetzt worden. Vier von ihnen wurden beim Durchkämmen des Geländes tot aufgefunden, andere gefangengenommen, wie von der MP zu erfahren war. Daraufhin setzten umfangreiche Haussuchungen der MP ein. In Roetgen selbst wurde jedoch niemand gefunden. Um 12 Uhr mittags war ein kurzer deutscher Fliegerangriff ohne irgendwelche örtlichen Ergebnisse. Am 18. Dezember setzte um 1 Uhr früh wiederum eine lange deutsche Luftaufklärung unter Setzen von Leucht - schirmen entlang des ganzen Frontbogens von Norden über Osten bis Süden ein. Ohne Rücksicht hierauf setzte amerikanisches Abwehr feuer ein. Um 8 Uhr gleichen Tages begann ein deutscher Fliegeran griff, der auf starkes Abwehrfeuer der Flak stieß. Um 12.30 Uhr erfolgte ein neuer Luftangriff, bei dem ein Flugzeug am Pilgerborn brennend zu Boden stürzte. Die Besatzung konnte sich durch Fall schirmabsprung retten. Das am 16. Dezember verhängte Ausgehverbot für die Zivilbevölkerung dauerte bis 21. Dezember. Am 22. trat eine Lockerung desselben ein insofern, als für die Hausfrauen eine Tagesstunde zum Einkaufen freigegeben wurde. Am 21., 22. und 23. Dezember war starkes Artilleriefeuer in südlicher Richtung. Inzwischen wurde in der Bevölkerung bekannt, dass zwischen Monschau und Luxemburg eine große deutsche Offensive begonnen habe, die unter dem Befehl des General Gerd von Rundstedt stehe. Amerikanischerseits hatte man eine Schwenkung dieser Offensive in Richtung Roetgen und Eupen erwartet, die darauf hätte abzielen können, die zwischen Roetgen, Aachen und Düren stehenden amerikanischen Truppen abzuschneiden. Am 22. Dezember erfolgte daher eine Verstärkung der Artillerie. Abends war wieder eine längere deutsche Lufterkundung. Der 23. Dezember brachte den ganzen Tag über schweres und langandauerndes amerikanisches Geschützfeuer in südlicher Richtung. Viele Hausdächer wurden vom Luftdruck feu - ernder Geschütze teils abgedeckt, teils beschädigt. An vielen Häusern zersprangen die Fensterscheiben. Ein deutscher Jäger wurde bei einem Erkundungsflug über Roetgen abgeschossen und stürzte auf einer Wiese im Grölisbachtal brennend ab. Der Flugzeugführer wurde von amerikanischen Soldaten aus den Trümmern der Maschine geborgen. Ihm war der Kopf vom Rumpfe getrennt worden. Auch am 24. De zember setzte sich das starke amerikanische Geschützfeuer in südli cher Richtung fort. Ab Mittag fuhr ein steter Strom von Panzern durch den Ort in Richtung Eupen. Es war ein so großer Truppen durchzug in gegenläufiger Richtung, dass die ganze Zivilbevölkerung meinte, die Amerikaner müssten zurück und die Deutschen men wieder. Die amerikanischen Soldaten lächelten über diese Ansicht und erklärten, sie würden über Eupen in die Ardennen geworfen, um den Einbruch von Rundstedt abzuriegeln. Den ganzen Tag über zogen große alliierte Bombereinheiten in west- südöstlicher Richtung. Sowohl am 24., 25. und 26. Dezember war unausgesetzt amerikanische Artillerietätigkeit, die nur in den Nachtstunden nach ließ. Am letztgenannten Tage erfolgte um 13 Uhr ein starker Luft angriff auf die amerikanischen Artilleriestellungen entlang der Eisen bahnlinie von der Feldflur „Acker" bis zur Offermannstraße. Geschütze und Stellungen gingen in Brand auf. Eines der angreifenden Flugzeuge stürzt brennend auf das Wohnhaus der Familie Noel in Petergensfeld ab. Vom 27. bis 31. Dezember war täglich amerikanisches Geschützfeuer. Am 28. Dezember zogen über 400 USA-Bomber unter Jäger schutz in west-östlicher Richtung über Roetgen. Am 1. Januar 1945 erfolgte um 9 Uhr morgens ein deutscher Luftangriff auf die ame rikanischen Artilleriestellungen rund um Roetgen. Eine der angreifenden Maschinen stürzte brennend ab. Vom 2. bis zum 12. Januar 1945 war zwar täglich, aber nur noch schwächeres amerikanisches Geschützfeuer zu verzeichnen, was offensichtlich mit dem Nachlassen und dem späteren Zusammenbruch der Ardennenoffensive in Zu sammenhang stand. Am 4. Januar 1945 erreichten noch einmal eine Anzahl deutscher Granaten den östlichen Rand von Roetgen, wobei das Haus von Hubert Nellessen im „Brand" einen Treffer erhielt. Am 12. Januar 1945 wurden durch die Orts-Kommandantur von jeder Haushaltung eine bestimmte Anzahl Betttücher eingezogen, die für die Anfertigung von weißen Tarnanzügen für die amerikanischen Soldaten der Ardennenoffensive bestimmt sein sollten. Am 13. Januar setzte ab 17 Uhr abends plötzlich starkes amerikanisches Ab wehrfeuer ein, das bis zum Morgen des 14. Januar andauerte. Es berührte den Frontbogen von Nordosten bis Südosten und stand nach amerikanischen Angaben mit Angriffen in Zusammenhang, die deutscherseits gegen den vorgenannten Frontbogen gerichtet wurden. Am 14. Januar wurde ein deutsches Erkundungsflugzeug im Walde bei Münsterbildchen abgeschossen. Der 15. Januar brachte wieder stärkeres Geschützfeuer und den Abschuss eines deutschen Flugzeu - ges im Distrikt Pilgerborn. Der 16. Januar ließ nur schwächeres Ge - schützfeuer aufkommen. Amerikanische Militärpolizei hielt allge meine Haussuchungen ab nach Waffen und Heeresgut. Die Skiläufer mussten auf Anordnung der Kommandantur ihre Schneeschuhe abgeben. Der 17. und 18. Januar hatte nur vereinzeltes Geschützfeuer. Am 19. Januar wurde von der Besatzungsmacht bekanntgegeben, dass die deutschen Truppen, die am 16. Dezember 1944 zwischen Luxem burg und Monschau einen Offensivvorstoß in Richtung Lüttich un ternommen hätten, wieder auf ihre Ausgangsstellungen im Westwall zurückgeworfen worden seien. EISENHOWER IN ROETGEN Der 20. Januar 1945 brachte plötzlich eine größere Absperrung durch Militär-Polizei und Posten in der Hauptstraße. Eine stark ge sicherte Autokolonne brachte den Ober- Kommandierenden der amerikanischen Streitkräfte, General Eisenhower, nach Roetgen, wo er mehrere Stunden in dem von einem höheren Militärbefehlshaber be wohnten Hause Nr. 204 verweilte. Am 27.1. mussten auf Anordnung der Orts-Kommandantur die Rundfunkgeräte abgeliefert werden. Bis dahin war das Abhören auch der deutschen Rundfunksendungen gestattet. Am 1. Februar war das Geschützfeuer nur noch schwach. Flücht linge aus Huppenbroich und anderen Ortschaften des Kreises, die von den Amerikanern bei einem Vorstoß aufgebracht worden waren, wurden in Roetgen untergebracht. Im Laufe des Tages wurde bekannt, dass die Amerikaner die Ortschaften Konzen, Eicherscheid, Huppenbroich und Kesternich eingenommen hätten. 467 deutsche Kriegsgefangene wurden auf LKW's durch Roetgen abtransportiert. Infolge dieses Vormarsches gaben die Amerikaner eine Reihe ihrer Geschützstellungen in Roetgen auf und zogen ab. Ab 17. Februar fanden keine unmittelbaren Kriegshandlungen mehr statt. Vom vorgenannten Tage ab bis zum 25. Februar zogen täglich Truppen ab, während neue wieder ankamen und nach einigen Tagen wieder weiterrückten. Daneben folgten Truppendurchzüge größten Stils in Richtung und unter der Devise „Rhein". Am 1. März rückten die letzten Standtruppen ab. Am 4. März räumte die Sicherheitspolizei ihre Quartiere und zog ebenfalls ab. Am 19. März zog eine größere Formation amerikanischer Negertruppen ein, deren Aufgabe es war, die von einer amerikanischen Ingenieurtruppe im Kampfgebiet nach genau ausgearbeiteten Plänen gelegten Minenfelder zu räumen. Anfang Mai war diese Arbeit beendet und die schwarzen Truppen zogen wieder ab. Damit war der Ort von fremden Truppen wieder frei. Lediglich in Monschau blieb eine amerikanische Kreiskommandantur zurück, die später durch die britische Kommandantur abgelöst wurde. Für die Unterbringung der amerikanischen Feldtruppen während des Frontzustandes waren ab November 1944 nach und nach zwei Drittel aller Häuser von ihren Bewohnern geräumt worden, während die gesamte Bevölkerung auf das restliche eine Drittel der Häuser verwiesen war. Als um die Mitte des Monats März das Beziehen der beschlagnahmt gewesenen Wohnungen wieder gestattet wurde, sah es wüst in diesen Wohnungen aus. Alle waren verschmutzt, mehr oder weniger beschädigt und mussten renoviert werden. Das Hausmobilar war vielfach beschädigt, zerstört oder in die Waldstellungen zwischen Roetgen, Lammersdorf und Germeter verschleppt worden. Da zu der betreffenden Zeit der größte Teil der Männer noch im deutschen Heer stand oder kriegsgefangen war, lastete eine schwere Auf gabe auf den Frauen und Kindern, die fast ihre Kräfte zu überstei gen drohte.